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06.04.2023

Was wir machen, wer wir sind

In unserer Serie, in der wir in loser Reihenfolge die große Bandbreite der Tätigkeitsfelder von Physiotherapeuten und therapeutinnen zeigen, stellen wir heute Annika Führer vor, die seit drei Jahren Referentin für Tierphysiotherapie an der Physio-Akademie in Wremen ist. Nach dem Sportstudium war für Annika Führer die Ausbildung zur Physiotherapeutin folgerichtig, für sie hat sich diese Kombination perfekt ergänzt.

Auf den Hund gekommen

Aber wieso noch eine weitere Ausbildung? Immerhin handelt es sich um eine eigenständige einjährige Ausbildung, die in Blockseminaren stattfindet, für die Ferien geopfert und auch noch selbst finanziert werden muss? Nach über zwanzig Jahren als Physiotherapeutin hatte Annika Führer das Gefühl, an eine Grenze gekommen zu sein, war therapiemüde und zweifelte manchmal daran, ob ihre Patientinnen und Patienten wirklich gesund werden wollten. Eine Frage, die sich bei ihren tierischen Patienten nie stellt.

Ganz oder gar nicht

Sind Hunde die besseren Menschen? Diese Frage muss wohl jeder selbst für sich entscheiden. Sicher sind sie aber die besseren Patienten. Ihnen fehlt ein sekundärer Krankheitsgewinn und die Abwägung, ob sie eventuell in der Physiotherapie mitmachen oder nicht – sie machen es – oder eben auch nicht. So muss Annika Führer doppelt einfühlsam sein, denn sie behandelt immer Hund – und Hundehalter oder Hundehalterin gleichzeitig und in beiden Fällen gilt es zu erspüren, wie viel den beiden zuzumuten ist. Wenn beispielsweise ein vierbeiniger Patient das "Werkzeug am Maul" einsetzt und damit unmissverständlich deutlich macht, dass die Behandlung jetzt zu Ende ist, hätte es ein zweibeiniger Patient kaum deutlicher formulieren können. Die Verwandtschaft zwischen der Arbeit als Humanphysiotherapeutin und Tierphysiotherapeutin ist groß, die Abläufe vergleichbar, nur die Kommunikation mit menschlichen Patientinnen und Patienten manchmal einfacher.

Wie der Herr, so‘s Gescherr 

Wie auch lang verheiratete Paare sich im Laufe der Jahre oft immer ähnlicher sehen auf Grund ähnlicher Interessen, Hobbies, Lebensumstände, ähneln sich oft Hundebesitzer und -besitzerinnen und ihre Hunde, nicht nur äußerlich, sondern auch was ihre Beschwerden betrifft. Exzessive Sportler und Sportlerinnen, die mit "Joggerhunden" kommen, die gemeinsam mit ihrem Frauchen an Verschleißerscheinungen der Gelenke leiden oder übergewichtige Hunde, deren dickes Herrchen vorsichtig und einfühlsam mehr Bewegung und Diät für den Hund verordnet bekommt, ohne, dass das Herrchen sich auf den Schlips getreten fühlt. 

Rabauken und Diven

Doch bevor es so weit ist, eine Diagnose oder eine Therapie anzusprechen, müssen sich Therapeutin und Hund erst einmal "beschnuppern". Anders als bei einer regulären Therapie hat Annika Führer dafür erheblich mehr Zeit als die gängigen zwanzig Minuten. Eine Stunde setzt sie für den ersten Termin an. In dieser Zeit kann sie sich mit dem neuen vierbeinigen Patienten vertraut machen und er sich mit ihr und ihrer Praxis. Handelt es sich um einen futteraffinen Vierbeiner, einen, der auf Lob reagiert oder kann man ihn mit einem Spielzeug locken. Egal wie das Urteil ausfällt, Annika Führer ist vorbereitet. So soll jede Sitzung positiv enden und da gehört das Leckerli zum Schluss eben auch dazu. 

Worst Case 

Der Hund beißt.
Doch in all den Jahren ihrer Tätigkeit als Hundephysiotherapeutin ist das noch nicht vorgekommen. Sicherlich liegt es auch an der guten Kommunikation von Annika Führer mit den Hundehalterinnen und -haltern, die genau instruiert werden, auf jedes Signal ihres Hundes zu achten und rechtzeitig zu warnen, wenn eine Behandlungsmethode so gar nicht "im Sinne" des Patienten ist.  Alles richtig gemacht hat sie, wenn die Hunde beim zweiten oder dritten Termin hereinkommen und sich bereits in "Behandlungsposition" legen, ohne dass man es ihnen sagen muss, um dort die anstehenden Übungen zu machen. 

Testhund Ida

Kabarettisten proben neue Gags vor der Familie, Maler nutzen gerne ihr persönliches Umfeld für Porträtzeichnungen und Annika Führer arbeitet mit ihrer Schäfermischlingshündin Ida. Fingerfertigkeiten, neue Griffe, Techniken – mit Ida zusammen bildet sich Annika Führer weiter und kann spielerisch trainieren. Auch Koordinationsübungen und Stabilitätstechniken lassen sich am besten mit der eigenen Hündin testen. Und Ida macht alles mit.

Der große Wandel

Früher hatte man halt einen Hund und die Klientel, die mit ihren Lieblingen in die Hundeschule gingen, war in der Minderheit. Heute gehört es fast schon zum guten Ton, das Familienmitglied auf vier Pfoten in die Schule zu "schicken".  Ebenso der Wunsch, dass die Hunde sportlich ausgelastet sind, genug soziale Kontakte haben und auch deren Kopf angeregt wird. In der Gesellschaft hat sich der Blick auf den Hund gewaltig verändert. Eine Tatsache, die Hundephysiotherapeuten zugutekommt. Auch Tierärzte und – ärztinnen stehen der Physiotherapeutin Annika Führer wohlwollend gegenüber. Manchen Tierarzt lernt sie als Humanpatienten kennen, so wie auch manche Hundebesitzerin. Eine bessere Werbung kann es nicht geben. Wenn sie mir hilft, dann kann sie auch meinem Hund helfen. 

Weiterbildung

Die Weiterbildung zum Tierphysiotherapeuten baut zwar nicht auf der Ausbildung zum Humanphysiotherapeuten auf, erleichtert sie aber sehr. Aktuell arbeitet Annika Führer drei Tage im Humanbereich und zwei Tage als Hundephysiotherapeutin und freut sich über die Abwechslung und auf ihre zwei- wie vierbeinigen Patientinnen und Patienten gleichermaßen. Die Physio-Akademie in Wremen bietet einmal im Jahr ein Programm aus insgesamt sechs Modulen bei 18 Präsenztagen an. Die Kursserie für 2023/2024 beginnt am 08. September 2023. Anmeldedeschluss ist der 08. Juli. Voraussetzung sind mindestens acht Teilnehmende. Anerkannt und zertifiziert ist die Weiterbildung durch PHYSIO-DEUTSCHLAND. 

Weitere Informationen finden Sie unter: https://www.physio-akademie.de/zertifikate-weiterbildungen/tierphysiotherapie/